Ich laufe „durch die Welt um mich herum“ – nehme wahr, beobachte, lausche, rieche, fühle. Bemerke mit den Füßen, dass der Untergrund weich und sandig oder steinig, felsig ist. Bemerke mit dem ganzen Körper, dass es sanft oder steil bergauf oder bergab geht. Genieße die weite Sicht, das Licht, empfinde die Schönheit der welligen Hügel oder spüre die Enge eines Tales. Sogar hier, in der Märkischen Schweiz im Nordostdeutschen Tiefland! Dann schaue ich auf die Landkarte, entdecke geschwungene Linien, Pfade, vielleicht hat die Karte Stellen mit vielen engen Höhenlinien oder andere mit wenigen, weit voneinander entfernten. Ich versuche, die Karte und das Erlebnis draußen, die Wahrnehmungen, in Einklang zu bringen. Versuche, mir vorzustellen, dass und wie Täler geschaffen wurden! Welche Kraft kann das leisten?! Wie mächtig muss sie sein! Wie und wo konnte sie sich „sammeln“, zusammen brauen, um dann mit solcher Macht die Landschaft zu verändern! Welche Worte, welche Vergleiche kann ich finden, um das Geschehene zu verdeutlichen, sichtbar zu machen?!

Vulkanausbrüche leisten unglaubliche, große, unvorhersehbare Veränderungen in kürzester Zeit. Aber hier hat – nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft – die Erde nicht gebebt, keine Vulkankraft gewirkt, kein Wind, kein Sturm die Erdmassen in diesem Ausmaß bewegt, das ich sehen und wahrnehmen kann. Von ein paar „kleinen“ Flugsanddünen abgesehen. Eis, Wasser – dieses Element ist es, das die Landschaft unserer Umgebung, unter unseren Füßen, maßgeblich geprägt, aus dem Untergrund „herausmodelliert“ hat.

Das Eis hat als mächtige Gletscherbedeckung Findlinge und Gesteinsschutt, Sande, Kiese, einfach alles, was auf seinem Weg lag aus dem Norden „mitgebracht“, „eingebacken“ ins Eis. Der große Druck des Eises hat den Untergrund „massiert“ und auch „durcheinander“ gebracht. Steine, Sand, Lehm und mächtige Tonablagerungen, sogar Braunkohleflötze liegen in der Märkischen Schweiz eng und unerwartet nebeneinander.

Unvorstellbar groß ist diese Eismasse. „Gletscher“ – bei diesem Wort sehen wir heute eine Eis-Zunge vor uns, die noch hoch oben in einem Alpental aus dem „Ewigen Eis“ in eine Zone aus Geröll und Schutt herabreicht. Ein Fluß strömt hervor und reißt durch das steile Tal auch Steine mit sich. Soviel Kraft hat das Wasser durch das starke Gefälle.

Aber damals, in der Eiszeit, vor (weit) mehr als 10.000 Jahren, hier, da war das Eis verbunden mit dem Eisschild, das vom Nordpol bis hierher reichte!
Der Fluss, nein, der Strom aus dem Gletschergebirge schuf sich mächtige Abflussrinnen – breite Täler wie das Rote Luch.
Es wurde langsam wärmer, das Eisgebirge schmolz ab, war immer weiter entfernt, weit im Norden. Die Wassermassen wurden entsprechend weniger mächtig und weniger reißend. Sie fanden im breiten Tal ein neues Bett, das durch ihre Fließ-Kraft tiefer wurde, rechts und links Uferflächen oder auch mal mittendrin Inseln stehen ließ. Diese Geschichte ist bis heute noch „im Gange“, niemals fertig. „Steter Tropfen höhlt den Stein“.
Aber die Gletscher sind weit weg, sie speisen unser „Stöbberchen“ nicht mehr. Reissend wird er mit seinen Zuläufen nur, wenn es sehr viel und stark regnet. Wenn dann der Boden kahl daliegt oder verletzt wurde, vielleicht durch einen umgestürzten Baum, dessen Wurzel nun zur Hälfte in den Himmel ragt und die Erde „aufgerissen“ hat – dann hat der starke Regen leichtes Spiel und spült den feinen Boden, auch Sand und kleine Steinchen mit sich fort. Bergab.

Landschaftsentstehung. Charlotte Bergmann, 9.11.2025.

Nicht nur ich. Die Menschen haben sich schon immer gefragt, wie sie ihre Wahrnehmungen draußen erklären könnten – woher die großen Steine kommen oder die tiefen Schluchten.
Hier folgt dazu eine Sage vom Seekönig.

Wie der Seekönig sein Reich verließ

Einst hatte der Seekönig ein großes Reich. Das war in der Zeit, ehe die Menschen gekommen waren. Seine Töchter waren die Quellen in der Tiefe. Lurche, Frösche, Kröten, Schlangen, Wasserratten und Biber gehorchten ihm.

Die Menschen zogen immer weiter bis in die Gegend, wo der Seekönig sein Schloß im Wasser hatte. Er fühlte sich in seiner Freiheit und Stärke bedroht. Denn er wußte, dass die Menschen den Königen und Königinnen der Natur Fesseln anlegten.

Weil er das befürchtete, raffte er in einer Gewitternacht seine stärksten Gewässer zusammen. Er wollte aus dem Lande weichen, sich ein anderes Reich suchen und mit seiner brausenden Fluten in das breite Odertal ziehen. Der König brach wirklich in der Gewitternacht auf und riß eine tiefe Schlucht in das Land.

Er hatte aber in seiner Hast vergessen, seine Töchter, die Quellen, in der Nacht zu wecken.
So blieben sie zurück. Als sie am Morgen aufwachten, waren sie traurig und weinten, weil sie sich nach ihrem Vater, dem Seekönig, sehnten.

Als die Menschen all die weinenden Quellen sahen, die im Land zurückgeblieben warn, merkten sie auch, dass die Quellen gern ihrem Vater in die Ferne folgen wollten.
Deshalb bauten die Menschen überall Wehre, stauten die Wasserläufe und zwangen so die Quellen im Land zu bleiben.

Da weinten die Quellen sehr. Sie waren einst die Töchter eines großen Seekönigs gewesen und mussten nun den Menschen dienen, die sich überall im Lande niederließen. Sie mussten fleißig wirken, die Lasten der Kähne tragen, die Wasser vor den Wehren stauen, die Mühlen betreiben und jede Nacht an den weißen Nebelfäden weben, die sich über das Land erheben und als Tau auf den Äckern und Wiesen niederlassen. Spannen sie dazu nicht Garn genug, so mussten sie sich sorgen, dass sie selbst versiegten. Denn aus dem Tau, der in die Erde sinkt, leben sie, weil er in vielen unterirdischen Strömen zu ihnen zurückkehrt.

(aus: Märkische Sagen – Berlinische Reminiszenzen 20/Werner Mittelbach – Bearbeitung: Uwe Günzel; verwendet in „Kalender Sagen und Mythen der Märkischen Schweiz 2004“ Hrsg. Henrik Bäßler Verlag – Berlin unter Redaktion des Verein Naturschutzpark Märkische Schweiz e.V., des Amtes für Forstwirtschaft Müllrose und der Naturparkverwaltung Märkische Schweiz, 2003)

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